Vorwort

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"Plan, Ankündigung und Vorbericht des Werks"

Vorwort aus Band I (1790)

Anstelle eines Vorwort veröffentlicht Bertuch den Artikel "Plan, Ankündigung und Vorbericht des Werks" zum ersten Band des Kinderbuchs. Wie der Titel ankündigt, beschreibt Bertuch darin sehr genau, was er mit dem Bilderbuch bezwecken will.

Bertuch beschreibt Bilderbücher als "unentbehrlicher" Teil im kindlichen Aufwachsen - eine Aussage, die heutige Leserinnen und Leser vielleicht überrascht, da man geneigt ist anzunehmen, dass Bücher um 1800 durchaus unüblich in Kinderhand waren. Aber Bertuch schreibt ganz deutlich, dass sein "Bilderbuch" gedacht ist, direkt in die Verantwortung des Kindes gegeben und nicht in der elterlichen Bibliothek aufbewahrt zu werden, wo es nur unter Aufsicht vom Kind genutzt werden darf.

"Es muss gut, aber nicht zu kostbar, und so von Preisse und Werthe seyn, dass auch mittelmässig bemittelte Eltern dasselbe nach und nach anschaffen, und dem Kinde ganz zum Gebrauche übergeben können. Das Kind muss damit völlig umgehen können wie mit einem Spielzeuge; es muss darinn zu allen Stunden bildern, es muss es illuminiren; ja sogar, mit Erlaubniss des Lehrers, die Bilder ausschneiden und auf Pappendeckel kleben dürfen. Der Vater muss ein Bilderbuch für Kinder nicht als ein gutes Bibliotheken-Werk, das ohnediess nicht in Kinderhände gehört, behandeln, es schonen, und nur zuweilen zum Ansehen hergeben wollen. Kostbare Bilder-Bücher, welche Kinder schonen müssen, und nur zuweilen unter strenger Aufsicht zu sehen bekommen, unterrichten das Kind bey weiten nicht so gut, als ein minder kostbares, das es aber immer in den Händen und vor Augen hat."[1]

Um dies umzusetzen, wird Bertuch seine Tafeln heftweise veröffentlichen. Fünf Tafeln, jeweils begleitet von einer Seite deutschen Beschreibung - ab dem 10. Heft gibt es auch eine französische Übersetzung - bilden ein Heft. Der Preis liegt bei ... für die unbehandelten Kupfertafeln, bei den illuminierten steigt er auf ...

Neben dem ökonomischen Hintergedanken sieht Bertuch in den kleinen Lieferungen auch das Wohl des Kindes: es wird nicht mit zuviel Informationen überfordert, sondern kann sich ganz aufmerksam mit den fünf Themen jeweils beschäftigen. Überhaupt ist die Aufmerksamkeit der Kleinen ein wichtiges Gesichtspunkt für Bertuch. Bei der Auswahl sollen deshalb exotische und ungewöhnliche Themen ausgesucht werden und möglichst vielfältig zusammengestellt werden.

"Es muss wo möglich fremde und seltene, jedoch instructive Gegenstände enthalten, die das Kind nicht ohnediess schon täglich sieht. Iene interessiren und unterhalten es nur, weil sie den Reiz des Raren und Wunderbaren haben. Bilder von bekannten und alltäglichen Dingen reizen und amüsiren hingegen das Kind nicht, weil es die Manier und Kunst der Darsteilung bey weiten noch nicht, wie der Mann, fühlen und einsehen kann, und blos auf den fremden und neuen oder schon bekannten Gegenstand sieht, der ihm Freude und Zeitvertreib, oder Langeweile macht. An diese gewiss wichtige Bemerkung scheinen die bisherigen Orbis-pictus-Macher wenig oder gar nicht gedacht zu haben." [2]

Diese ungeordnete Anordnung hat auch ihre negative Seite, macht sie doch den Einsatz im Unterricht schwierig, was zeitgenössische Autoren kritisch vermerken. Bertuch sieht diese Kritik bereits voraus, indem er bereits im scheinbar ungeordneten Chaos ein Sortierungssystem mitliefert. Neben einem alphabetischen Band-Register formuliert er eine Reihe von Oberthemen, die er auf den Tafeln wie auch auf den Begleittexten vermerkt. Diese Klassifikation wird bis zur letzten Veröffentlichung des Bilderbuchs auf 15 Themen anwachsen.[3]. Die römische Zählung gibt die Anzahl jeweiligen Tafeln in Bezug auf die Themen an, z.B. ist Vierfüsser XXII die 22. Tafel zum Thema Vierfüsser. Auf der begleitenden Textseite wird zudem auch die Bandzahl und in arabischer Zählung die Stelle der Tafel in dem Band vermerkt: die 22. Tafel zu den Vierfüssern findet sich in Band I unter No. 97. Dieses System findet sich auch in Cochins Portefeuille des Enfans, auf das später noch genauer eingegangen wird.


Sehr detailliert setzt sich Bertuch mit der Gestaltung und Qualität der Kupferstiche auseinander. Er sieht Bilder als ein wichtiges und grundlegendes Lehrmittel für das Kind an - die Schulung des Auges muss daher mit besonderer Sorgfalt erfolgen. Die dafür genutzten Materialien sollten sich durch besondere Qualität auszeichnen. Dies bezieht sich neben der künstlerischen Wert auch auf die Gestaltung und Zusammensetzung der einzelnen Figuren: auf den Tafeln sollten nicht - in horror vacui Mentalität - nach Möglichkeit jeder freier Platz mit Figuren ausgefüllt sein. Die Größenbeziehungen zwischen den einzelnen dargestellten Gegenständen sollte bedacht werden. Und die dargestellten Dinge sollte so naturgetreu wie möglich wiedergegeben werden. Dies bedeutet für das Bilderbuch, dass einzelne Themen erneut aufgegriffen werden, wenn sich bessere Abbildungen dafür finden lassen, wie z.B. beim Narwal, der als Narbal auf 7. Tafel im 1. Band und erneut als See-Einhorn auf der 57. Tafel in Band 2 behandelt wird. Bertuch erklärt die Wiederaufnahme mit der Qualität der Zeichnung: Das See-Einhorn oder der Narwal (den wir zwar schon auf Taf. u. No. 7. im ersten Bande unsers Bilderbuchs, aber in keiner ganz richtigen Zeichnung gesehen haben, und daher jetzt richtiger kennen lernen)


Vorbilder

Um sein Bilderbuch noch weiter zu bewerben, setzt Bertuch seinen Plan deutlich gegenüber seinen Vorläufern ab: er nennt gleich am Anfang verschiedene Persönlichkeiten, die sich besonders um die Erziehung von Kindern verdient gemacht haben und die dafür auch besonders Wert auf Bildern gelegt haben.

Ein Bilderbuch ist für eine Kinderstube ein eben so wesentliches und noch unentbehrlicheres Meuble als die Wiege, die Puppe, oder das Steckenpferd. Diese Wahrheit kennt jeder Vater, jede Mutter, jeder der Kinder erzogen hat, und von Locke an bis auf Basedow, Campe und Salzmann, empfiehlt jeder vernünftige Pädagog, den frühesten Unterricht des Kindes durchs Auge anzufangen, und ihm so viel gute und richtige Bilder und Figuren, als man nur kann, vor das Gesicht zu bringen. Seit der alte Comenius den ersten glücklichen Gedanken hatte, diesem wesentlichen Bedürfnisse der Erziehung durch seinen famosen Orbis pictus abzuhelfen, und diese Idee, aber noch roh genug, auszuführen, haben mehrere Kinderfreunde der Pädagogik und unsrer kleinen Welt ein solches Geschenk zu machen gesucht, aber freylich nicht immer mit gleichem Glücke und gleicher Brauchbarkeit. Ich fühle keinen Beruf, ihre Fehler hier zu entwickeln, die ein jeder beym Gebrauche leicht selbst finden wird: ich will vielmehr nur einen Fingerzeig aus die Eigenschaften geben, die ein gutes Bilderbuch für Kinder haben muss. Folgende, denk' ich, sind es.

Bertuch stellt sein Bilderbuch damit in die Reihe von Werken berühmter Autoren - und gleichzeitig hebt er es darüber hinaus, denn er beschreibt, dass diese Vorgänger von ihm durchaus nicht die bereits perfekten Veröffentlichungen geschaffen haben. Doch statt die Fehler aufzuzählen, beschreibt er, was seiner Meinung nach, ein Bilderbuch ausmacht: wie bereits oben beschrieben, zählt er sieben Punkte auf.... Im Text allerdings erläutert er die "Fehler" seiner Vorläufer:

  • Basedow und Stoy verstossen gegen die Übersichtlichkeit der Tafeln - sie haben zuviele Figuren auf einem Blatt zusammengebracht

Es muss nicht zu viele und zu sehr verschiedene Gegenstände auf Einer Tafel zusammendrängen; sonst verwirrt es die Imagination des Kindes und zerstreut seine Aufmerksamkeit, wenn der Lehrer sie gern auf einen einzigen Gegenstand der Tafel heften möchte. Das Auge des lebhaften Kindes sieht ganz anders als das Auge des Mannes, das sich beschränken und abstrahiren kann. Das Kind aber sieht die ganze Menge höchst verschiedener Bilder und Gegenstände, die auf der Tafel zusammen stehen, alle auf einmal, springt mit seiner lebhaften Imagination von einem zum andern über, und so ists dann dem Lehrer nicht möglich, seine Aufmerksamkeit nur auf Einen Gegenstand zu fixiren. Die Kupfer zu Basedows Elementar-Werke und noch mehr Stoys Bilderakademie haben diesen wesentlichen Fehler.



unter anderen Le Portefeuille des Enfans, Salzmann, Comenius.


Volltext

Vorwort (1790), 1. Ausgabe (Exemplar HAAB)

Vorwort (1801), 2. Ausgabe (Exemplar BBF)

Vorwort (1801), 2. Ausgabe (Exemplar UB Heidelberg)

  1. Band I (1790), Vorwort, S. 3.
  2. Band I (1790), Vorwort, S. 3
  3. Eine Übersicht über die verschiedenen Kategorien findet sich [[1]]